Rainer Petto las beim St. Ingberter Literaturforum (ILF)
Einen kurzweiligen Abend erlebten die rund 40 Besucher, die aufgrund des geltenden Hygiene- und Sicherheitskonzepts zur Präsentation der im Saarbrücker Geistkirchverlag erschienenen Neuausgabe von Rainer Pettos Buch „Ein Kind der 50er Jahre“ in der Stadtbücherei St. Ingbert zugelassen werden konnten.
ILF-Sprecher Jürgen Bost betonte in seiner Einführung, dass diese Zeitreise in pandemiefreien Zeiten von einem mehrfach stärkeren Auditorium miterlebt worden wäre, so groß sei das Bedürfnis nach unmittelbarem Erleben von Literatur und persönlicher Begegnung mit den Autoren.
Rainer Petto, freiberuflicher Journalist und Autor, studierte Germanistik und Soziologie in Saarbrücken und Freiburg. Neben seiner Tätigkeit bei der Saarbrücker Zeitung und seiner Funktion als Vorsitzender des Saarländischen Schriftstellerverbandes war er von 1992 bis 2009 als Fernsehredakteur verantwortlich für den “Kulturspiegel” beim Saarländischen Rundfunk. Zusammen mit Fred Oberhauser fungierte er 1980 als Herausgeber der Anthologie “Ein saarländisches Lesebuch”. Mit Gabriele Oberhauser gemeinsam ist er Herausgeber des Internetportals “Literaturland Saar”.
In seinen Kindheitserinnerungen beschreibt er eindrucksvoll und atmosphärisch dicht, wie ihn dieses Jahrzehnt des Wiederaufbaus und der Autoritätsgläubigkeit geprägt hatte. Rainer Petto stammt aus Saarbrücken-Malstatt, seine Jugendzeit verbrachte er jedoch auf dem Rodenhof, wo seine Eltern ein Haus gebaut hatten, was einerseits Freiheit ermöglichte, ihnen zum anderen aber auch viel Verzicht abverlangte. 1950 geboren, verfasste er bereits im Alter von 35 Jahren, motiviert durch seine Arbeit für eine Serie beim Saarländischen Rundfunk, seine von Distanz und Ironie geprägten „Memoiren“.
„Ich bin im Nachhinein froh, in einer Dekade ohne übertriebene Ansprüche und Überbewertung des Materiellen aufgewachsen zu sein“, erklärt er seinem Publikum. „1950 gab es in Deutschland drei Staaten: die Bundesrepublik, die DDR und das Saarland“, erinnert er sich. Es wurde mit Francs bezahlt, und Schmuggel war nicht unüblich, der Glaubenskampf der Christen, die sich in katholisch und evangelisch spalteten, war zur damaligen Zeit ein großes Thema. Sex und Krieg galten als die großen Tabuthemen. „Da waren noch viel ältere Mentalitätsreste, die die Luft stickig machten und darauf warteten, einmal kräftig durchgepustet zu werden“, heißt es im Vorwort. Einen eigentlichen Abschluss fand diese Ära erst Mitte der Sechziger.
Pettos souverän gestalteter Leseparcours durch die verschiedenen Kapitel der um ein Vorwort, Anmerkungen und Fotos aus dem Familienalbum angereicherten Neuausgabe erlaubte den Gästen, sich in ihre eigene Jugend zurückzuversetzen. Der Autor hatte bewusst auf Textbereinigungen aus einer verklärenden Alterssicht heraus verzichtet. Gerne gaben die Zuhörer im Nachgespräch auch bewegende Anekdoten aus ihrem eigenen Erleben preis.
Jürgen Bost dankte dem Autor für den sehr inspirierenden Abend und kündigte als nächste ILF-Veranstaltung eine Autorenbegegnung mit Carsten Henn an, der am Freitag, dem 20. August 2021, im Rahmen des St. Ingberter Kultursommers seinen aktuellen Titel „Der Buchspazierer“ präsentieren wird, eine gefühlvolle Geschichte darüber, was Menschen verbindet und Bücher so wunderbar macht.