ILF präsentiert Christoph Steckelbrucks „Gefangenen Sommer“
„Wenn der Herbst kommt und der Winter nah ist, dann zieht sich der Sommer in den Wald zurück, um dort zu schlafen. Und bald erscheinen die Wintergeister, um den Schlaf des Sommers zu bewachen …“, diese märchenhafte Deutung des Wandels der Jahreszeiten spielt in Christoph Steckelbruchs viel beachteten Debütroman „Der gefangene Sommer“ (2018 im St. Ingberter Conte Verlag veröffentlicht) eine fast leitmotivische Rolle.
Ihn stellte der aus Mönchengladbach angereiste Autor auf Einladung des St. Ingberter Literaturforums (ILF) in der Stadtbücherei einem ihm gespannt folgendem Auditorium vor, das sich auch vom lebhaften Halloweentreiben in der Fußgängerzone in seiner Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigen ließ. ILF-Sprecher Jürgen Bost führte zunächst in die Biografie und das Tätigkeitsspektrum seines Gastes ein, der als Art Director für digitale Kommunikation in Düsseldorf arbeitet, auch mit der Entwicklung von Spielen befasst ist, das Verfassen von Büchern als kreative Nebenbeschäftigung ansieht und bisher erst eine Reihe von Cartoonbänden veröffentlicht hat..
Dann übernahm Christoph Steckelbruck das Mikrofon und präsentierte zunächst den Protagonisten seiner -wie er erklärte – „romantischen“ Geschichte. Die Begegnung mit diesem wortgewaltigen Text ist mit einer Rückkehr in die siebziger Jahre verbunden und vermittelte den Zuhörern ebenso realistisch wie poetisch die Geschichte des dreizehnjährigen Anton auf der Schwelle zum Erwachsensein. Drei Kapitel las Christoph Steckelbruck, allesamt aus dem ersten Teil seines Romans, doch diese Auswahl war hervorragend geeignet, um in Stimmung und Handlungsebenen des Textes einzuführen.
Der Sommer 1974, in dem die Geschichte angesiedelt ist, war ein meteorologisches Ausnahmejahr mit Kaltluft und Regengüssen, Missernten und Sorgen um einen vom Menschen ausgelösten Klimawandel. Deutschland wurde Fußballweltmeister, und die Bundesrepublik erlebte eine bunte und mitunter sogar schrille Zeit des Aufbruchs. In einem exakt konturierten niederrheinischen Milieu vermittelt der auktoriale Erzähler tiefe Einblicke auch in die dunklen Seiten jener Dekade. Das Verschwinden einer Zwölfjährigen markiert für Anton den Beginn einer an Veränderungen reichen Zeit. Er findet auf der Suche nach der Vermissten neue Freunde und bewegt sich auf geheimnisvollen Pfaden. So tritt er aus dem behüteten Umfeld seiner kleinbürgerlichen Familie hinaus in die Welt.
Dieser Prozess der Selbstfindung und Selbstwerdung wird stilistisch souverän dargeboten, die Sprache Christoph Steckelbrucks ist authentisch, bildkräftig und direkt, aber auch poetisch und verspielt. Feinste Untertöne des Romans erscheinen perfekt herausgearbeitet, und das Oszillieren zwischen lakonisch realistischer Beschreibung und paralleler psychischer Deutung fesselt den Leser in jedem Kapitel.
Im nachfolgenden von Jürgen Bost moderierten Publikumsgespräch drehte sich vieles um den inneren Entwicklungsprozess der Hauptgestalt und das so überzeugend übermittelte Zeitkolorit. Die Lösung des angedeuteten Kriminalfalls erfuhr das Publikum nicht. Aber das spielte auch gar keine Rolle, denn für den überaus gelungenen Abend war entscheidend, dass die von Christoph Steckelbruck eindrucksvoll präsentierten Sequenzen alle vollauf überzeugten.
Mit dieser bereits zehnten ILF-Veranstaltung im laufenden Kalenderjahr fand in der Stadtbibliothek ein ereignisreiches Lesungsangebot seine Fortsetzung. In den nächsten Wochen stehen mit Szczepan Twardochs „Boxer“(15. November), Franziska Hausers „Gewitterschwimmerin“ und der Präsentation von Daphne Schmelzers historischen Biografien (12. Dezember) weitere spannende Angebote auf dem Programm des St. Ingberter Literaturforums.
Nach einer Winterpause sollen auch im neuen Jahr 2019 den interessierten Bürgern weitere Autorenbegegnungen und Buchpräsentationen vermittelt und dabei schwerpunktmäßig die Literatur von Schriftstellern aus der Großregion Saar-Lor-Lux gefördert werden, und das ganz im Sinne Fred Oberhausers, der das ILF im Herbst 1981 aus der Taufe hob.