Lesung zu Heinrich Manns „Untertan“

Für viele stand er stets im Schatten seines prominenteren Bruders Thomas, doch einer der wichtigsten Beiträge zur europäischen Literatur des 20. Jahrhunderts entstammt seiner Feder: Heinrich Mann. Sein Roman “Der Untertan” war Thema eines bilingualen Projekts des Deutsch-Französischen Bürgerfonds aus der Reihe “Literatur und Demokratie“ in Kooperation mit dem St. Ingberter Literaturforum, das zu erleben viele Besucher in die Stadtbücherei geströmt waren.

Alphonse Walter, Gründer und Leiter des Lothringer Theaters, war in Begleitung von Birgit Giokas nach St. Ingbert gekommen. Beide stellten in einer lockeren Präsentation ausgewählte Passagen aus dem Leben des Diederich Heßling vor, einer erschreckend aktuellen Verkörperung des autoritären Typs, der vom unterdrückten furchtsamen Knaben zum gnadenlosen Unterdrücker in Familie und Gesellschaft mutiert.

Foto: Sonja Colling-Bost
Lesung in der Stadtbücherei zu Heinrich Manns „Untertan“
Foto: Sonja Colling-Bost
Lesung in der Stadtbücherei zu Heinrich Manns „Untertan“

Alphonse Walter zeigte wiederholt die Wahrnehmung der Ereignisse der letzten hundert Jahre aus französischer Perspektive auf und betonte, dass nur etwa fünf Prozent des Textes während dieser Soiree zitiert werden konnten. Wirtschaftliche Unsicherheit, Zukunftsaussichten, politische Instabilität und Sorge um die Demokratie prägten heute wie damals die Stimmung bei unseren beiden Völkern.

IlF-Sprecher Jürgen Bost erinnerte an den Standpunkt des Autors: “Demokratie ist im Grunde die Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle für einander verantwortlich sind” (Heinrich Mann 1927). Er verwies noch auf die Liebe und Sympathie, die Heinrich Mann Frankreich nicht erst während der Zeit seines Exils von 1933 bis 1940 entgegengebracht hatte. Das „Land seiner Träume und Visionen” galt ihm als idealer Gegenpol zu den Entwicklungen in seiner verlorenen deutschen Heimat. Als nächste Veranstaltung des Literaturforums kündigte er für Mittwoch, den 19. März 2025, eine Autorenbegegnung mit dem langjährigen Brüsseler Spiegel-Korrespondenten Christoph Pauly an, dessen Roman “Laune der Götter” um Themen wie Europa und die Migration kreist.

Auch die St. Ingberter Kinowerkstatt erinnerte an das Jubiläum von Heinrich Manns “Jahrhundertroman”. In einer sehr gut besuchten Veranstaltung war Wolfgang Staudtes Filmklassiker “Der Untertan” aus dem Jahre 1951 zu erleben, eine bildgewaltige DEFA-Produktion, deren hoher künstlerischer Wert erst sehr spät in der Bundesrepublik gewürdigt wurde.

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