Immer wieder mussten weitere Stühle bereitgestellt werden, so groß war der Andrang bei Edith Brauns jüngstem Auftritt in der St. Ingberter Stadtbücherei. Auf Einladung des St. Ingberter Literaturforums stellte die Vierundneunzigjährige ihr neuestes Werk vor, betitelt „In Alters Frische – Erlebtes und Erdichtetes aus neun Jahrzehnten meines Lebens.“ Bunt und abwechslungsreich wie Edith Brauns langes Leben sind ihre Erinnerungen daran, die zu faszinieren vermögen. Einige davon hat die saarländische „Mundartpäpstin“ in diesem überaus lesenswerten Buch, einem Werk in Hochdeutsch, veröffentlicht, und das Auditorium lauschte wie gebannt den gekonnt vorgetragenen Erzählungen und Gedichten, den wahren und erfundenen, heiteren und ernsten, die sich zum komplexen Mosaik eines Menschenlebens zusammenfügen, immer wieder untermauert durch Dokumente und Fotos, die den Wahrheitsanspruch der Autorin unterstreichen.
Kindheit und Jugend in Malstatt und Hassel, der Ruhm eines Pfälzer Onkels und Straßenmusikanten, der 1917 die offizielle amerikanische Präsidentenhymne „Hail America“ kreierte, das eigene traumatische Erleben eines Fluchtversuchs 1945 aus dem sowjetischen Sektor, der tragische Fall eines überlebten Heldentodes – nach so viel Ernst und Realismus hielt Edith Braun es für geboten, mit der ihr wie gebannt folgenden Zuhörerschaft den Weg hin zum Lustigen und Fantasievollen einzuschlagen. Als ausgesprochene Kabinettstücke erwiesen sich ihre Kulturgeschichte des familiären Schenkens, die Enthüllung der erprobten saarländischen Hausmittel gegen „die Freck und die Flemm“ sowie mehrere Mundartgedichte, in denen Edith Brauns hintergründiger Humor und ihr geschicktes Jonglieren mit Sprache auf das trefflichste überzeugen konnten.
Im Nachgespräch enthüllte der Gast noch – Edith Braun ist diplomierte Übersetzerin für Russisch und Englisch und promovierte 1988 nach einem weiteren Studium der Fächer Phonetik, Germanistik und Slawistik zum Dr. phil. – , dass für sie nun die Zeit gekommen sei Spanisch zu lernen. Auch könne man 2017 mit einem weiteren Buch rechnen, das weitere Abschnitte ihres bewegten Lebens und insbesondere ihre Moskauer Erlebnisse darstellen soll. Von Ruhestand war nie die Rede, beständiges Weiterwirken auf vielen Ebenen ist ihre Maxime.
Zum Abschluss der Lesung dankte Jürgen Bost, Sprecher des ILF, Edith Braun für ihre lebendigen Darbietungen und kündigte als nächste Veranstaltung des St. Ingberter Literaturforums für Mittwoch, den 6. April 2016, einen Abend mit Oss Kröher an. Der 1927 in Pirmasens geborene Folksänger und Liedermacher (als „Hein und Oss“ während vieler Jahrzehnte gemeinsame Auftritte mit seinem 2016 verstorbenen Zwillingsbruder Heinrich) wird den neuesten Band seiner Lebenserinnerungen vorstellen und unter dem Titel „Fahrende Sänger“ vor allem die Jahre ab 1965 in Erinnerung rufen. (PM: Jürgen Bost)