„Wer von Ihnen versteht polnisch?“, lautete die eingangs gestellte Frage, und nicht wenige Finger aus dem Publikum gingen in die Höhe. In einer Kooperationsveranstaltung des St. Ingberter Literaturforums (ILF) und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar (DPG) präsentierte sich mit Szczepan Twardoch einer der renommiertesten jungen Autoren unseres Nachbarlandes in der Stadtbücherei St. Ingbert einem überaus interessierten Auditorium.
Szczepan Twardoch war nicht allein gekommen: Ihm zur Seite standen sein Übersetzer und Dolmetscher, der Berliner Slawist und Romancier Olaf Kühl, sowie Dr. Jerzy Wegrzynowski, Vorstandsmitglied der DPG Saar und Leiter des Ökologischen Schullandheims Spohns Haus, der souverän durch das Werkstattgespräch zwischen Autor und Übersetzer führte und die Präsentation des vorgestellten und in wenigen Monaten zum Bestseller gewordenen thrillerhaften Romans „Der Boxer“ behutsam lenkte. Twardoch und Kühl bilden ein eingespieltes literarisches Tandem und wurden in ihren jeweiligen Ländern mit Preisen geradezu überhäuft. Sie sind eben „das erfolgreichste deutsch-polnische Literaturduo aller Zeiten“, so Wegrzynowski.
ILF-Sprecher Jürgen Bost skizzierte zu Beginn die Biografie und das Romanwerk des Gastes aus Polen. Er zitierte die Textpassage: „Kein Gegner im Ring ist furchtbarer als ein ruhiger und selbstsicherer Gegner. Die schrecklichste Miene, die ein Boxer aufsetzen kann, ist das Lächeln“. Damit entlockte er Twardoch, dem Meister detaillierter Beschreibung, die Information, dass er zur Vorbereitung des Schreibens selbst den Boxsport erlernt hatte, ganz zu schweigen von den von ihm angestellten aufwändigen historischen Recherchen.
Diese gestatteten ihm, den Aufstieg seiner talentierten jungen Romanfigur zum Verbrecherhelden zwischen Gewalt, Eleganz und Laster und seine Verletzlichkeit als Jude im Warschau des Jahres 1937 in einem überragenden Tableau voller Spannung und akribisch enthüllter kulturgeschichtlicher Details zu Papier zu bringen. „Twardoch kennt in Warschau wirklich jeden Pflastersein“, präzisierte Olaf Kühl, der seit vielen Jahren auch als Russlandreferent des Berliner Regierenden Bürgermeisters tätig ist.
Viele interessante Aspekte wie der leidenschaftliche Blick des Schriftstellers auf den menschlichen Körper, der Schreibprozess bei der Gestaltung dieses historischen Romans, die Rolle des Antisemitismus in der polnischen Gesellschaft früher und heute sowie immer wieder die Frage nach der nationalen und persönlichen Identität des Autors kamen während des intensiven Gesprächs zum Tragen. So erzählt er in seinem vorangegangenen Roman „Drach“ die Geschichte einer schlesischen Familie aus der Sicht der allwissenden Erde.
Zum Abschluss der Lesung dankte ILF-Sprecher Jürgen Bost dem Autor und seinem Übersetzer sowie Dr. Jerzy Wegrzynowski, dem unverzichtbaren Impulsgeber für das Werkstattgespräch. Nach der Präsentation von Hans Bollingers Reisebuch „Unterwegs in Polen – Begegnungen mit Menschen, ihrer Geschichte und Heimat “ und der letztjähigen Lesung mit dem Schriftsteller und Filmkritiker Wojciech Kuczok sei dies bereits der dritte unseren polnischen Nachbarn gewidmete Lesungsabend.
Als nächste Veranstaltung im Rahmen des St. Ingberter Literaturforums kündigte er für Mittwoch, den 28. November 2018, eine Lesung mit Franziska Hauser an. Die Berliner Autorin hat mit „Die Gewitterschwimmerin“ ihre Familiengeschichte aufgeschrieben und war dafür für den Deutschen Buchpreis dieses Jahres nominiert.
Am Mittwoch, dem 15.Dezember 2018, ist die aus den Niederlanden stammende und in St. Ingbert lebende Romanistin und Romanautorin Daphne Schmelzer auf Einladung des Literaturforums in der Stadtbücherei zu Gast. Sie hat unter dem Titel „Rebellion und Liebe – Das Leben der George Sand“ eine spannende historische Biografie jener berühmten Frauengestalt aus dem 19. Jahrhundert verfasst, die zahlreichen Geistesgrößen in tiefer Freundschaft verbunden war.
(Pressemitteilung Jürgen Bost)