„Das Liebespaar des Jahrhunderts“ – Julia Schoch erzählt vom Ende einer Ehe

Rund 70 Besucherinnen und Besucher waren zu der Lesung von Julia Schoch in die Stadtbücherei gekommen. Dabei waren im Publikum nur wenige Männer zu finden, was wohl mit der Geschichte des Buches zu tun hatte. Der erste Teil, „Das Vorkommnis“, erzählte vom unerwarteten Auftauchen einer Halbschwester. Im neuen Buch nimmt das Leben ebenfalls eine krasse Wendung. Gleich zu Anfang des zweiten Buches ihrer Trilogie sagt sie klar und deutlich: „Im Grunde ist es ganz einfach: Ich verlasse dich.“

Es handele sich hier um eine Art „Dauergeschichte“, die große Zeiträume von Beziehungen erzählt. Man könne eigentlich nichts dagegen machen, wenn man Teil der Geschichte ist. Nur lange genug dableiben, damit man alles bis zum Ende erlebt. Sie führte weiter aus, dass sie die Vergangenheit wie einen großen Baukasten sieht, den man aus verschiedenen Blickwinkeln ständig neu entdeckt – ebenso schön wie fatal.

Julia Schoch saß unaufgeregt an ihrem Lesertisch, fast schüchtern blickte sie in die Runde der Zuhörer. „Ich beginne dann mal“, sagte sie mit klarer Stimme, zieht ihre Lesebrille auf und las die ersten kurzen, prägnanten Sätze ihres Buches. Genau wie im ersten Band der Trilogie geht es auch hier um eine Ich-Erzählerin. Die Textpassagen gehen gut ins Ohr. Jede bis ins Detail beschriebene Situation ist nachvollziehbar. Vieles hat man selbst schon am eigenen Leib erlebt. Manche Sätze stimmen nachdenklich, im nächsten Moment schmunzeln die Zuhörer im Raum über einen ungewollten Reim: „Ich stand im Flur und hing an der Schnur“, so lautet eine Textpassage über ein Telefonat zu Beginn der Beziehung. 31 gemeinsam verbrachte Sommer sind eine lange Zeit. Unsere Liebe war klein und doch mächtig. „Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben, und dreißig Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.“

Foto: Maria Müller-Lang

 

Erst als das Publikum endgültig begriffen hatte, dass die Lesung zu Ende war, begann der Applaus

Sätze mit bildhaften Vergleichen rundeten den Leseabend ab. „Manchmal fühlte ich mich, als wäre ich auf langen Rollbändern durch die Halle des Lebens gefahren.“ Fasziniert und gebannt lauschten die Zuhörer der Geschichtenerzählerin, wollten wissen, was als Nächstes passiert.Foto: Maria Müller-Lang

Am Ende der Lesung war Stille im Raum. Jeder hätte gerne noch weiter der angenehmen Stimme zugehört. Erst als das Publikum endgültig begriffen hatte, dass die Lesung zu Ende war, begann der Applaus.

Es handele sich hier ganz bewusst um Literatur in einfacher Sprache, erklärte die Autorin anschließend. Schreiben, wie man spricht, keine Schachtelsätze, keine Zeitsprünge. Das wäre neu für sie gewesen und hatte ihr Interesse geweckt. Sie wollte wissen, wohin das führt. Es gibt hier durchaus großartige Werke mit viel Tiefe. Eigentlich ein schöner Widerspruch, findet sie.

„Bevor ich ein neues Buch beginne, muss ich die Form erahnen. Gedanken sind da, ich kann sie nur noch nicht in Worte fassen. Und am Ende ist das fertige Buch doch immer anders, als man es sich vorgestellt hat“, resümierte die 49-jährige Schriftstellerin. Auch als Übersetzerin ist sie tätig. Sie selbst findet übersetzen leichter als schreiben. „Übersetzungen sind für mich wie Urlaub. Gelegentlich muss ich aus diesem Ich-Käfig aussteigen“, antwortete sie auf die Frage einer Besucherin, was sie denn lieber täte.

Warum Schriftstellerin? wollte ein Gast wissen. „Ich habe schon immer gerne gelesen. Literatur war mir immer heilig, Bücher wie magische Objekte. Wenn ich schreibe, schreite ich durch ein Portal. Dahinter ist ein Wirklichkeitstunnel. Die Wände sind sehr dünn, man kann durchschauen. In diesem Moment möchte ich nie wieder raus.“

„Mich begeistert diese präzise und klare Ausdrucksweise. Solche Bücher faszinieren mich“, so die Worte einer Zuhörerin am Ende des Abends.

Zur Info:

Julia Schoch (* 17. Mai 1974 in Bad Saarow-Pieskow, Kreis Fürstenwalde, DDR) ist eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie schreibt Romane, Erzählungen, Essays, Hörspiele und ist als Kolumnistin tätig gewesen.

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